Glaenzende Geschaefte by Katharina Muenk

Glaenzende Geschaefte by Katharina Muenk

Autor:Katharina Muenk
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783423249881
Herausgeber: dtv
veröffentlicht: 2013-10-31T23:00:00+00:00


LÖHRINGS MISSION

In den folgenden zwei Nächten schlief Löhring schlecht, was weder an zu viel Rotwein am Abend noch an den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen lag. Nein, diese Leute von der Staatsanwaltschaft kamen und gingen wie die Stromableser und gehörten zum Phänomen moderner Neidkultur, fand Löhring. Wer etwas auf sich hielt, im Job mit harten Bandagen kämpfte und Risiken einging bis hin zur letzten lächerlichen Magnum-Rotweinflasche auf Firmenkosten, der musste eben auch mit gelegentlichen Durchsuchungen leben und das möglichst relaxed sehen. Es gehörte zum Spiel und hatte durchaus einen gewissen Show-Aspekt, wenn personalstarke Sonderermittlungsgruppen ins Büro oder ins Haus stürmten und sich dafür die reinsten Crime-Soap-Namen gaben. Als würde deswegen irgendetwas anders laufen, als es immer gelaufen war. Die diversen Schadenersatzklagen standen sowieso auf tönernen Füßen: Misswirtschaft, Vermögensbetrug, Veruntreuung, Insolvenzverschleppung – alles plakative Worthülsen für Leute, die nichts davon verstanden, gut für Presseschlagzeilen und zum Aufregen, wenn man sich denn aufregen wollte. Eigentlich waren die Beamten der Staatsanwaltschaft immer ganz nett, wenn auch ein wenig förmlich, fand Löhring. Sie schafften eher Ordnung als Chaos, brachten Licht in verstaubte Ecken, regten zum Aussortieren und Nachwischen an. Mit der Zeit hatte sich Löhring angewöhnt, auch den Feng-Shui-Aspekt dieser Aktionen zu sehen, und den fleißigen Leuten einen Kaffee angeboten.

»Mensch, ärgern Sie sich nicht«, hatte er dann auch zu Kellermann gesagt, als dieser fassungslos zugesehen hatte, wie man sich zu schaffen gemacht hatte an den Schränken und Computern, von denen er behaupten sollte, sie gehörten ihm – bei all dem die Hand in der Hosentasche fest um seine Waffe gelegt. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, Kellermanns Fluchtreflexe zu bekämpfen und ihn ganz langsam auf das Wort »Staatsanwaltschaft« zu konditionieren, nämlich dahingehend, dass diese Herren weder mit der Kelle am Straßenrand standen, noch mit der Pistole auf Verbrecherjagd gingen. Es waren Wirtschaftsforensiker, deren Ermittlungsverfahren sich mitunter über Jahre hinzogen, bis niemand mehr davon sprach und die Sache mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt wurde. Nicht mehr und nicht weniger. Sie mochten jedes noch so kleine Notizbüchlein durchforsten, jede Festplatte, jeden Chip sichern und jeden Aktenordner vorerst in große Kartons verstauen, das übliche Procedere eben. Nur für blutige Schwämme unter der Spüle oder Leichen im Garten fehlte ihnen der Blick – und der Auftrag. Es genügte, das alles zu wissen, Vorsorge zu treffen und ein gewisses Urvertrauen in die Dinge zu legen. Sogar Ilse Kesch wusste das.

Nein, was Löhring schon beim allerersten Augenaufschlag morgens zu schaffen machte und manchmal auch mitten in der Nacht, war die Erinnerung an seine Träume, die zuletzt von scheußlicher Plastizität gewesen waren. Es brachen sich darin drahtige, scharfkantige Beine aus seinen Hüften, der Körper wurde zum Panzer, und der Kopf versenkte sich bis zu den Augen im Rumpf, wie bei einem mistigen Käfer. Das ging so fort, bis Löhring ein kehliges Jammern überkam, das ihn weckte. Und dann lag er auf dem Rücken, alle viere von sich gestreckt, die Finger starr auseinandergespreizt, als sei die Metamorphose zum Insekt noch in vollem Gange.

Es war außergewöhnlich. Aber auch ein bisschen peinlich. Der einzige Trost, der ihm



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